3. Betroffenheit der Anrainergemeinden
3.1 Vorbemerkungen
Die bereits erwähnten Anrainergemeinden sind von den einzelnen Varianten der Streckenführung unterschiedlich betroffen. Unter einem einzigen Aspekt kann für eine Gemeinde demnach ein Vorteil entstehen, während eine andere Gemeinde unter der Realisierung dieses Aspektes leiden müsste. Bei anderen Aspekten kann sich dieser Sachverhalt gerade umgekehrt darstellen.
Es ist also nicht möglich, eine Variante zu finden, die ausschließlich Vorteile bietet, und zwar für alle betroffenen Anrainer. Deshalb ist eine Variante zu suchen, die den optimalen Gesamtnutzen für die Menschen an der zu planenden A44 erzeugt. Das Verfahren zum Auffinden dieser Variante ist im Abschnitt 4 beschrieben, und die ermittelten Bewertungen werden dort quantitativ dargestellt.
3.2 Kaufungen
Die Gemeinde Kaufungen befindet sich im Lossetal, das mit seiner engen Geländestruktur bestimmte Effekte der Luftströmung erzeugt. Bereits in der Vergangenheit und in der Gegenwart müssen die Einwohner dieser Gemeinde unter dem Ost-West-Verkehr auf der B7 leiden, denn das verhängte Fahrverbot für den Schwerverkehr auf der Strecke zwischen der Anschlussstelle KS-Ost und Oetmannshausen wird nicht wirkungsvoll durchgesetzt. Die Beeinträchtigungen der Bevölkerung in Kaufungen resultieren deshalb schwerpunktmäßig aus Lärm und Schadstoffbelastungen.
Bei einer Realisierung der von Hessen Mobil geplanten Taltrasse verstärken sich die genannten Belastungen für die Bevölkerung erheblich, so dass sich diese Lösung von selbst verbietet, sofern man den Bedarf der Menschen berücksichtigt. Außer den direkt auf die Menschen wirkenden Lasten gibt es bei dieser Planung die Belastungen für Gewerbe und Industrie. Diese wirken zweifach, nämlich einerseits auf die Industriebetriebe im Ortsteil Papierfabrik wegen der wegfallenden Anschlussstelle KS-Ost und andererseits auf die Gewerbebetriebe im Ortsteil Oberkaufungen wegen des Wegfalls der K7 zwischen Kaufungen und Helsa.
Im Falle der H-Trasse wird der Ortsteil Oberkaufungen in gleicher Weise belastet wie bei der Taltrasse. Profitieren können dagegen die Ortsteile Papierfabrik und Niederkaufungen wegen des Erhalts der Anschlussstelle KS-Ost und wegen des ortsfernen Verlaufs im Bereich von Niederkaufungen.
Falls man die D-Trasse realisiert, wird sich für die Ortsteile der Gemeinde Kaufungen gegenüber dem IST-Zustand nichts ändern, allein der Schwerverkehr wird sich von der B7 auf die A44 verlagern. Insofern ist eine Verbesserung sogar gegenüber dem IST-Zustand zu erwarten.
Bei Realisierung der 0-Trasse ändert sich für die Gemeinde Kaufungen ebenfalls nichts. In diesem Fall ist es von großer Bedeutung, dass das bestehende Durchfahrtsverbot auch tatsächlich durchgesetzt wird – anders, als es im IST-Zustand stattfindet, denn bisher wird dieses Verbot permanent unterlaufen und von den zuständigen Behörden nicht verfolgt.
3.3 Lohfelden
Einige Bereiche der Gemeinde Lohfelden sind bereits heute stark vom Autobahnverkehr der A7 belastet, betroffen ist insbesondere der Ortsteil Ochshausen. Diese Betroffenheit resultiert aus der Nähe der bestehenden A7 und aus dem Umleitungsverkehr, der bei Störungen auf der A7 erzeugt wird. Dies findet gegenwärtig wegen der Baustelle auf der A7 besonders häufig statt. Darüber hinaus hat sich Schleichverkehr durch den Ort gebildet, dessen Ziel meist das Gewerbegebiet des Ortsteils Papierfabrik von Kaufungen ist.
Sollte man die Taltrasse der A44 realisieren, so werden sich die bestehenden Probleme wegen des im Abschnitt 2.4 beschriebenen Umleitungsverkehrs in massiver Form verstärken. Im Wesentlichen sind die Anwohner im Ortsteil Ochshausen betroffen, die nennenswerte Belastungen aus Schadstoffen und Lärm hinnehmen müssten. Wegen der engen und kurvenreichen Ortsdurchfahrt in Ochshausen wird es erhebliche Behinderungen innerhalb des Ortes geben, und deshalb werden in der Folge auch die anderen Ortsteile Crumbach und Vollmarshausen betroffen sein.
Wenn die H-Trasse realisiert wird, dann ergibt sich für die Lohfeldener Ortsteile Ochshausen und Crumbach keine Veränderung gegenüber dem IST-Zustand, aber der Ortsteil Vollmarshausen wird wegen der ortsnahen Führung der Trasse deutlich stärker von Schadstoffen und Lärm betroffen sein. Insofern ergibt sich auch hier eine Verschlechterung, die allerdings nicht in der massiven Form wie bei Realisierung der Taltrasse ausfallen wird.
Im Falle einer Realisierung der D-Trasse kann sich für Lohfelden sogar eine Verbesserung des aktuellen Zustandes ergeben, weil der Ort nur von der bestehenden A7 direkt berührt wird und die A44 ortsfern zwischen dem Ortsteil Vollmarshausen und Wellerode verläuft. Der heute schon bestehende Teil des Ost-West-Verkehrs wird über den Stiftswaldtunnel geführt und kann das gesamte Verkehrsaufkommen auf dem A7-Abschnitt noch reduzieren. Mit Umleitungsverkehr ist in Lohfelden dann nicht mehr zu rechnen, weil dieser im Bedarfsfall über die Anschlussstelle KS Ost und die B7 im Lossetal geführt wird.
Sollte man sich für die 0-Trasse entscheiden, so wird sich an der Situation in Lohfelden gegenüber dem IST-Zustand kaum etwas ändern, sofern man den schon heute durchfahrenden Schwerlastverkehr weiter zulässt. Hier ist aber zu erwarten, dass sich dieses Problem mit der Fertigstellung der A7-Baustelle zwischen KS Süd und KS Ost nicht mehr verstärkt.
3.4 Niestetal
Auch Niestetal hat bereits heute das Problem mit Umleitungsverkehr, wenn es auf der A7 beispielsweise in südlicher Richtung eine Störung gibt. In diesem Fall verläuft der Verkehr von KS Nord über die Dresdner Straße in Richtung Süden mit dem Ziel A49. Stark betroffen sind insbesondere die im Bereich der Dresdner Straße ansässigen Industrieunternehmen. Seit dem Bestehen der Baustelle auf der A7 tritt dieser Fall deutlich häufiger auf, als dies früher der Fall war.
Dieser kritische Fall von Umleitungsverkehr wird sich bei Realisierung der Lossetaltrasse in Zukunft weiter verstärken. In Abschnitt 2.4 wurde bereits die Gefahr häufiger Umleitungen dargestellt. In Niestetal ist dann der Verkehr zu den Unternehmen behindert, für die sich auch keine Ausweichstrecke anbieten lässt. Die Wohngebiete dieser Gemeinde sind von den Umleitungen weniger betroffen, aber es wird sich Schleichverkehr durch die östlichen Stadtteile der Stadt Kassel entwickeln.
Im Falle einer Realisierung der H-Trasse ist Niestetal weniger betroffen, weil die Gefahr von Umleitungsverkehr dann nicht mehr in dem starken Maße auftreten kann, wie bei der Lossetaltrasse. Natürlich können auch bei dieser Lösung Unfälle auf der A7 auftreten, aber die Wahrscheinlichkeit wird geringer.
Das Gleiche gilt für das Realisieren der D-Trasse. Auch in diesem Fall ist Niestetal von den erhöhten Risiken des Umleitungsverkehrs nicht betroffen. Die Wahrscheinlichkeit von Störungen ist bei dieser Trasse im gesamten Bereich von Kassel am niedrigsten.
Ein Realisieren der 0-Trasse erzeugt für Niestetal keine Veränderung gegenüber dem IST-Zustand. Auch für diese Gemeinde wird sich mit Abschluss der Baustelle auf der A7 eine Beruhigung der Situation hinsichtlich Umleitungsverkehrs einstellen, sofern der Ost-West-Verkehr nicht zwanghaft über die A7 geführt wird, wie bei der Taltrasse.
3.5 Kassel
Die Stadt Kassel ist in ihren Stadtteilen unterschiedlich vom Autobahnverkehr betroffen. Im IST-Zustand wirken sich Störungen auf der Autobahn insbesondere auf den Verkehr in der Stadt aus, was gelegentlich zu erheblichen Behinderungen führt. Bei den hier gegenübergestellten Varianten der A44-Planung bestehen deshalb unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der Belastungen auf die Stadt.
Falls die Taltrasse realisiert wird, so sind für den Osten der Stadt Kassel nennenswerte Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Abschnitt 2.4 gibt bereits die Erwartung von Umleitungsverkehr in erheblichem Umfang wider. Die Wirkung bezieht sich insbesondere auf die Stadtteile Waldau, Forstfeld und Bettenhausen. Aber auch weiter in Richtung Innenstadt wird der Verkehr zu den Autobahnen überlastet. Der Rückstau wird sich insbesondere auf die Zufahrtswege zum Altmarkt und zur Hafenbrücke konzentrieren, die wichtigsten Übergänge über die Fulda. Deshalb können die Auswirkungen nicht allein auf die östlichen Kasseler Stadtteile beschränkt bleiben.
Der Innenbereich der Stadt Kassel wird demnach von den Störungen auf dem Versatzstück der A7 / A44 massiv betroffen sein. Parallel zur o.g. Umleitungsstrecke über Dresdener Straße, Platz der deutschen Einheit und die A49 bei Waldau verläuft die Fulda durch das Stadtgebiet. Über die Fulda führen lediglich zwei relevante Brücken, nämlich die Brücke am Altmarkt und die Hafenbrücke. Die beschriebenen Probleme auf der eigentlichen Umleitungsstrecke werden sich zwangsläufig über diese Brücken in das Stadtgebiet hinein fortsetzen.
Betroffen sind etwa die Bereiche um den Steinweg / Frankfurter Straße, die Kurt-Schumacher-Straße sowie Weserstraße und Ihringshäuser Straße. In dieser Umgebung befindet sich mit den städtischen Kliniken ein sehr empfindlicher Bereich, der besonders zu schützen ist. Dabei geht es nicht allein um Lärm, sondern auch um die Möglichkeit für Rettungsfahrzeuge, die Kliniken zu erreichen.
Weniger drastisch stellen sich die Störungen auf die Stadt Kassel bei Realisierung der H-Trasse dar. Weil bei dieser Variante der Ost-West-Verkehr nicht über die A7 geleitet wird, ist eine vergleichsweise ruhige Verkehrslage in den angesprochenen Gebieten zu erwarten.
Gleiches gilt für die D-Trasse. Auch in diesem Fall wird die Stadt Kassel vom Fernverkehr nicht stärker belastet, als dies im IST-Zustand der Fall ist. Wegen der geradlinigen Führung der Trasse zwischen dem mittleren Lossetal und dem Kreuz KS Süd kann man sogar mit einer weiteren Entspannung rechnen.
Bei Realisierung der 0-Trasse herrschen ähnliche Verhältnisse wie bei der Taltrasse, allerdings wird sich die Dichte des Verkehrs wegen der weiträumigen Umfahrung des Schwerlastverkehrs weniger stark auswirken. Als Maximum der möglichen Belastung kann man in diesem Fall den heutigen IST-Zustand ansehen.